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Die Parteilosen ergreifen Partei

Artikel Aargauer Zeitung, Ausgabe vom 30.06.2009, über den schwindenden Einfluss der traditionellen Parteien auf der Gemeindeebene

Die Parteilosen ergreifen Partei

Artikel Aargauer Zeitung, Ausgabe vom 30.06.2009, über den schwindenden Einfluss der traditionellen Parteien auf der Gemeindeebene

© Aargauer Zeitung / MLZ; 30.06.2009; Seite 30

Wohlen

Die Parteilosen ergreifen Partei

Annähernd 60 Prozent der Gemeinderäte im Freiamt sind nicht Mitglied einer Partei

Auf der Gemeindeebene schwindet der Einfluss der traditionellen Parteien. Die Parteilosen stellen die Mehrheit der Gemeinderäte im Freiamt. Den Parteien fehlen offenbar Kandidaten, die sich engagieren.

Roman Schenkel

Weder die CVP noch die SVP und auch nicht die FDP stellt die Mehrheit der Gemeinderäte im Freiamt. Mehr als die Hälfte aller Freiämter Gemeinderäte sind parteilos. Dies zeigt eine Umfrage der AZ in den Gemeinden. So sitzt beispielsweise in Geltwil, in Eggenwil oder in Arni kein einziger Politiker einer traditionellen Partei im Gemeinderat. Alle Sitze sind an parteilose Kandidaten vergeben.

Auch der Gemeindeammann von Wohlen, Walter Dubler, oder Barbara Krom, Vizeammann von Bremgarten, gehören keiner Partei an. Die Liste liesse sich beliebig verlängern, denn 127 von den 222 Exekutivämtern auf Gemeindeebene werden von Parteilosen besetzt. Besonders in den kleinen und ländlichen Gemeinden gibt es gar keine Ortsparteien. Sie haben nie existiert oder sie sind mangels Mitgliedern eingegangen.

Der Anteil der Parteilosen gestiegen

Die CVP stellt nach der parteilosen Gruppe am meisten Gemeinderäte. Sie hat 46 Vertreter in den Gemeindeexekutiven. Es folgt die FDP mit 28, die SVP mit 16 und die SP mit 3 Gemeinderäten. «In den katholischen Gebieten hat die CVP immer noch einen starken Rückhalt in der Bevölkerung», erklärt der Soziologe Urs Meuli. Er leitet das vom Nationalfonds finanzierte Projekt «Exekutivmitglieder in den Schweizer Gemeinden». Seine Ergebnisse decken sich mit der Umfrage der AZ. «Die Parteien haben ihren Einfluss in der Gemeindepolitik verloren», so Meuli. Der Anteil der parteilosen Gemeinderäte habe in der Schweiz in den letzten zehn Jahren von 30 auf 42 Prozent zugenommen.

Sachpolitik, nicht Parteipolitik

Einer der parteilosen Gemeinderäte ist Hans-Peter Budmiger. Seit 2006 sitzt er im Gemeinderat von Muri. «Als Parteiloser bin ich nicht auf eine Parteimeinung fixiert und kann unabhängig politisieren», zählt Budmiger die Vorteile auf. Auch sei er niemandem Rechenschaft schuldig und könne je nach Sachlage entscheiden. Sowieso werde auf der kommunalen Ebene nicht gross Parteipolitik, sondern vielmehr Sachpolitik betrieben.

Auf der anderen Seite sei es für ihn als parteilosen Gemeinderat schwierig, einen Entscheid in der Gemeindeversammlung zu beeinflussen. «Wenn ich mit dem Gemeinderatsentscheid nicht einverstanden bin, kann ich nicht über eine Partei meine Meinung einbringen», so Budmiger. Zudem seien Parteien Meinungsmacher, über sie erhalte man Kontakte und Informationen. «Diese habe ich nicht», so Budmiger. Er ist aber der Ansicht, dass es die Arbeit der Parteien in der Gemeinde zwingend braucht: «Für eine Gemeinde mit der Grösse Muris ist die Arbeit der Parteien in den Kommissionen und anderen Gremien sehr wichtig». Die Mehrheit der Gemeinderatssitze sollten daher von Parteimitgliedern besetzt sein.

Bekannheitsgrad notwendig

Walter Dubler, parteiloser Gemeindeammann von Wohlen, durchschritt einen für parteilose Politiker eher unkonventionellen Weg. «Ich war zuerst bei der losen Gruppe ‹Eusi Lüüt›, die Peach Weber 1981 gegründet hatte.» Für «Eusi Lüüt» sei er dann zehn Jahre lang im Einwohnerrat und sechs Jahre in der Finanzkommission von Wohlen gewesen. Dannach wurde er von verschiedenen Personen als überparteilicher Kandidat erfolgreich für den Gemeinderat portiert. «In einer grösseren Gemeinde ist eine Wahl als parteiloser Kandidat nur dann möglich, wenn man einen gewissen Bekanntheitsgrad hat», erklärt Dubler. «Der Mensch und nicht die Partei steht im Vordergrund», erklärt Dubler.

«Als Parteiloser hat man den Vorteil, dass man offen für alle Seiten sein kann», so Dubler. Man sei unabhängiger und könne sich mehr sachbezogen entscheiden. Zudem gebe es auch keine so genannten «Parteifreunde», die einen enttäuschen könnten. Der grösste Nachteil sei natürlich, dass ein Parteiloser in schwierigen Situationen keine Rückendeckung einer Partei habe. «Ein Parteiloser kann zu «Freiwild» werden und ist viel anfälliger für unsachliche und persönliche Angriffe», sagt Dubler.

Parteien müssen Kandidaten stellen

Samuel Sommerhalder, Präsident der FDP Berikon, sucht die Erklärung für das verstärkte Auftreten von Kandidaten, die keiner Partei angehören, bei den Parteien selber: «Dass vermehrt parteilose Kandidaten auf dem politischen Parkett auftreten, ist auch ein Fehler der klassischen Parteien.» Oft würden sie einem Kandidaten ohne Parteizugehörigkeit ihre Unterstützung schon zum vornherein zusichern. Klar finde man Kandidaten nicht wie Sand am Meer, doch es sei wichtig, dass eine Partei versuche, ihre Interessen in die Gemeinde einzubringen. Daher sei es unerlässlich, dass zuerst in den Reihen der eigenen Partei nach möglichen Kandidaten gesucht werde, sagt Sommerhalder. Denn es brauche im Gemeinderat eine gesunde Streitkultur zwischen den traditionellen Parteien.

Gerade in kleinen Gemeinden kenne er das Problem, dass die Leute sich weniger zu einer Partei bekennen, sagt Benjamin Brander, Präsident der SVP Muri. «Die Wähler haben wir, doch es fehlen die Leute, die dazu stehen und sich engagieren», erklärt Brander. In Muri habe die SVP in den letzten Jahren eine vernünftige Politik gemacht. «Deshalb können wir auch immer wieder Neumitglieder begrüssen», sagt er.

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